Instrumente, Röttenbach - St. Mauritius

Die Orgel St. Mauritius Röttenbach

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Disposition

I. HAUPTWERK
BOURDON 16‘
PRINCIPAL 8‘
FLAUT TRAVERS 8‘
VIOLA DI GAMBA 8‘
GEDACKT 8‘
OCTAVE 4‘
ROHRFLÖTE 4‘
SUPEROCTAVE 2‘
MIXTUR IV-V 2‘
TROMPETE 8‘
II. NEBENWERK
SECUNDPRINCIPAL 8‘
ROHRFLÖTE 8‘
SALICIONAL 8‘
BIFARA 8‘
FUGARA 4‘
SPITZFLÖTE 4‘
QUINTE 2 2/3’
FLAGEOLET 2‘
TERZ 1 3/5‘
QUINTE 1 1/3‘
OBOE 8‘
TREMULANT
PEDAL
VIOLONBASS 16‘
SUBBASS * 16‘
OCTAVBASS * 8‘
BASSFLÖTE * 8‘
BASSOCTAVE * 4‘
POSAUNBASS 16‘
TROMPETBASS * 8‘
* TRANSMISSION AUS HAUPTWERK
KOPPELN
II – I
I – P
II – P
SUB II – I
SUPER II-P
TRAKTUREN
MECHANISCHE TONTRAKTUR
MECHANISCHE REGISTERSTEUERUNG
TONUMFANG
C – g’’’ / C – f’
STIMMUNG
BILLETER 440 HZ / 16° C
WINDDRUCK
 72 MM WS
SACHBERATUNG
MARKUS WILLINGER

Eine „Königin“ für Röttenbach

Die „Königin der Instrumente“ – so wird die Orgel häufig genannt, und das völlig zu Recht. In ihren Ausmaßen groß wie kein anderes Instrument verfügt sie über einen reichhaltigen Schatz unterschiedlichster Klangfarben. In instrumentenbaulicher Hinsicht ist sie kompliziert und wird bei Planung und Ausführung an die Bedingungen des Raums, für den sie gebaut wird, angepasst – anders als alle anderen Musikinstrumente. Wen wundert es da, dass ein solches Instrument seinen Preis hat.
Die Orgel ist seit vielen Jahrhunderten das Instrument der christlichen Kirchen; in unseren Breiten gibt es wohl kaum einen Kirchenraum, in dem keine Orgel steht, und nur wenige Kirchenbesucher könnten sich die Feier der Liturgie ohne Mitwirkung einer Orgel vorstellen.
Die bauliche und klangliche Qualität eines solchen Instruments ist abhängig davon, dass „tausend Kleinigkeiten“ bei Planung, Konstruktion, dem Fertigen der zahllosen Einzelteile, dem Zusammenbauen und der detaillierten Abstimmung aller Teile aufeinander „richtig“ gemacht werden. Röttenbach hat in schmerzlicher Weise erfahren, was passiert, wenn die Komplexität und Kompliziertheit des Instruments Orgel nicht angemessen erfasst wird. Nur so ist zu erklären, dass nach nur einer Generation den Verantwortlichen die Entscheidung aufgebürdet werden musste, die Orgel, die erst 1986 gebaut worden war, zu ersetzen und einen Orgelneubau in Auftrag zu geben. Ein kurzer Blick in die Geschichte der Röttenbacher Orgeln macht deutlich, dass diese Orgel mit nur 30 Jahren die weitaus kürzeste – und generell natürlich für eine Orgel eine viel zu kurze – Lebensdauer hatte.
Die erste Orgel, in der von 1844 bis 1850 errichteten Röttenbacher Kirche, wurde 1850 vom Nürnberger Orgelbauer Augustin Bittner in ein neues Gehäuse gebaut, das alle Neubauten bis zur heutigen Orgel überstanden hat. Sie umfasste 16 Register auf zwei Manualen und Pedal. Im Jahre 1900 dann baute die Firma Steinmeyer, Oettingen, unter Beibehaltung des Gehäuses und einer größeren Anzahl von Pfeifen eine neue Orgel mit 22 Registern auf zwei Manualen und Pedal. Grund dafür war wohl neben dem Glauben an den technischen Fortschritt der Wunsch nach einem zeitgemäßeren romantischeren, also grundtönigerem Klangbild und nach leichterer Bedienbarkeit, also Spielhilfen. Der erneut veränderte musikalische Geschmack und die Rückbesinnung auf die Schleiflade mögen der Grund dafür gewesen sein, 1986 eine neue Orgel von der Orgelbaufirma Gebrüder Mann, Marktbreit, bauen zu lassen.
Im Umgang mit diesem Instrument von 1986 hat man es sich nicht leicht gemacht und zunächst versucht, ein verantwortbares Restaurierungskonzept für die bestehende Orgel auszuarbeiten; man hat also verschiedene Angebote eingeholt. Über mehrere Jahre hin wurden die Argumente abgewogen, es wurde lebhaft diskutiert und gestritten.

Nach langem Ringen setzte sich schließlich doch die Erkenntnis durch, dass nur ein Orgelneubau auf hohem instrumentenbaulichem und musikalischem Niveau die „Orgelfrage“ auf Dauer zufriedenstellend würde lösen können.

Sodann wurden fünf renommierte Orgelbauer um ein Angebot gebeten; nach eingehender Prüfung der Angebote und Besichtigungen von Referenzinstrumenten dieser Firmen hat die Kirchenverwaltung die Orgelbauwerkstatt Winterhalter, Oberharmersbach, mit dem Bau der neuen Orgel beauftragt.
Ausschlaggebend für diese Entscheidung waren folgende Gründe:
1. Das Konzept des freistehenden Spieltisches mit Blick zum hinteren Mittelfenster der Kirche. Es ist zwar im Vergleich zu den alternativ angebotenen Spielnischen-Konzepten das baulich komplexere, bietet aber dem Organisten größtmögliche Klangkontrolle und erlaubt vor allem auch die optimale Nutzung des Platzes in den historischen Gehäusen.
2. Der freistehende Spieltisch und die beschriebene Werkaufstellung – übrigens die gleiche wie bei der Bittner-Orgel von 1850 – ermöglichen eine großzügige Disposition mit 23 Registern und fünf Transmissionen; das Hauptwerk hat einen Bourdon 16‘, das Pedal einen offenen labialen 16‘ und eine Posaune 16‘. So erhält das Instrument die dem Raum angemessene Klangfülle und bietet eine große Zahl an Klangfarben und Klangkombinationen.
3. Gemessen an der Größe des Instruments und der Komplexität seiner Konstruktion war das Winterhalter-Angebot das Vielschichtigste unter allen vorliegenden Angeboten.

In die beiden denkmalgeschützten historischen Gehäusehälften aus der Mitte des 19. Jahrhunderts wurde eine prachtvolle neue Orgel eingebaut.

In einer Planungs-, Konstruktions- und Bauzeit von etwa 6.280 Arbeitsstunden entstand ein Instrument, das sich sehen und hören lassen kann.
Das vom Spieltisch aus gesehene linke Gehäuse beherbergt das Hauptwerk und das Pedal, im rechten Gehäuse befindet sich das schwellbare Nebenwerk. Inspiriert von dem Umstand, dass sich zwei äußerlich gleiche Gehäusehälften gegenüberstehen, wurde versucht, nahezu allen Registern des Hauptwerks ein in der Bauart ähnliches Register im Nebenwerk gegenüber zu stellen, wobei auf eine reichhaltig besetzte Palette von 8‘-
Registern besonderer Wert gelegt wurde. Informativ sei angemerkt, daß die sehr
gut erhaltene Stimme Rohrflöte 8‘, aus
der ehemaligen Mann-Orgel übernommen und in das neue Klangkonzept integriert werden konnte.
Eines der wichtigsten Merkmale einer wirklich erstklassigen Orgel ist, dass jedes Register eine individuelle und gültige klangliche Aussage besitzt, und dass diese „Registerindividuen“ in den zahllosen Kombinationen einen neuen ebenfalls individuellen Klang ergeben. Dies zu erreichen ist die große Kunst eines jeden Orgelbauers.
Ich freue mich sehr darüber, dass wir mit der neuen Orgel aus dem Hause Winterhalter
– übrigens der ersten in unserem Erzbistum –
ein weiteres Instrument besitzen, das über vortreffliche „Klangtugenden“ verfügt. Hinzu kommt, dass die Spieltraktur des Instruments dem Organisten ein sehr differenziertes und außerordentlich sensibles Gestalten erlaubt – die mit einem freistehenden Spieltisch verbundenen technischen Anforderungen wurden hier brillant gelöst. Auch das ist ein Merkmal für die Erstklassigkeit der neuen Winterhalter-Orgel.

Es macht mir sehr große Freude, auf der Röttenbacher Orgel zu spielen und ich bin sehr froh und glücklich darüber, dass wir sie haben.

Als amtlicher Orgelsachverständiger der Erzdiözese Bamberg darf ich allen Beteiligten sehr herzlich gratulieren und ihnen für ihre Leistung und Mitarbeit danken: den Mitgliedern der Kirchenverwaltung für die geduldige und aufgeschlossene Debatte und die mutige Entscheidung; dem Vorstand und den Mitgliedern des Orgelbauvereins für den unermüdlichen Einsatz, wenn es darum ging und geht, konstruktive Argumente für das Projekt zu vertreten und die Finanzierung zu ermöglichen; dem staatlichen Bauamt Nürnberg und der Regierung Mittelfranken für die hilfreiche und konstruktive finanzielle Unterstützung; den Organisten für die anregende Diskussion des Dispositionskonzepts der neuen Orgel und der darin steckenden musikalischen Möglichkeiten; am Schluss – aber keinesfalls zuletzt, denn sie haben die Orgel ja geplant und gebaut – Orgelbaumeister Claudius Winterhalter und seinen Mitarbeitern, besonders Intonateur Alois Schwingshandl – von dessen Kunst ich mich bei meinen häufigen Besuchen während der Intonationphase überzeugen konnte – dafür, dass sie ihr großes Wissen und Können bei Konzeption, Planung, Bau und Klanggebung in so überzeugender Weise eingebracht haben.
Ich wünsche der neuen „Königin“ in Röttenbach, dass sie eine sehr lange Zeit zum Lobe Gottes und zur Freude der Menschen erklingt und die Ohren und Herzen der feiernden Gemeinde erfreut. Darüber hinaus soll sie große Ausstrahlungskraft auf die auch künftig weiter zu gestaltende Orgellandschaft der Erzdiözese Bamberg haben.

Prof. Markus Willinger
Domorganist
Amtlicher Orgelsachverständiger
der Erzdiözese Bamberg