Frb.-Zähringen - St. Blasius, Instrumente

St. Blasius Freiburg- Zähringen

[soliloquy slug=“die-orgel-freiburg“]

Disposition

I/HAUPTWERK
PRINCIPAL 8‘
ROHRFLÖTE 8‘
SALICIONAL * 8‘
OCTAVE 4‘
HOHLFLÖTE 4‘
FUGARA * 4‘
SESQUIALTERA II 2 2/3’
QUINT MAJOR ** 2 2/3’
SUPEROCTAVE 2‘
MIXTUR IV-V 1 1/3‘
QUINT MINOR ** 1 1/3‘
TROMPETE 8‘
II / NEBENWERK
GEDECKT 8‘
SALICIONAL 8‘
HOHLFLÖTE * 4‘
FUGARA 4‘
SESQUIALTERA II * 2 2/3’
SUPEROCTAVE * 2‘
FLAGEOLET 2‘
COR ANGLAIS 8‘
PEDALWERK
SUBBASS 16‘
OCTAVBASS 8‘
BASSOCTAVE 4‘
POSAUNE 16‘
* WECHSELSCHLEIFE ** VORAUSZUG
TONUMFANG
MANUAL C-G’’’
PEDAL C-F’
KOPPELN
SUPER II-P, SUB II-I,
II-I, II-P, I-P
TRAKTUREN
MECH. TON- U.
REGISTERTRAKTUR
WINDDRUCK
72 MM WS
STIMMUNG
BILLETER 440 HZ/16°
SACHBERATUNG
GEORG KOCH

Ein kleines Ensemble für große Musik

Funktional könnte man die St.-Blasius-Kirche nennen, die Kreisbaumeister Christoph Arnold 1824 für das 1906 in die Stadt Freiburg eingemeindete Zähringen entwarf. Er übernahm dabei den aus Rechtecken entwickelten, universell einsetzbaren Stil seines Lehrers Friedrich Weinbrenner. An einen fünfachsigen, säulenlosen und hellen Saal schließt östlich ein quadratischer Altarraum an. Im Westen ist ein Turm- und Portalbau vorgelagert. Um die drückende Wirkung der mit nur neun Metern geringen Höhe im Innern zu kaschieren, versah der junge Kunstmaler Paul Meyerspeer 1924 sein Deckengemälde des Himmlischen Jerusalem mit illusionistischer Tiefenstaffelung und erzielte damit eine erstaunliche optische Überhöhung des Plafonds. Aus den 1950er-Jahren stammt die Antik-Verglasung, die zusammen mit den vorherrschenden Farben von Altären und Bemalung im Raum gelbliche Pastelltöne vorgibt.
Die erste Orgel fertigte Mathäus Schaxel aus Herbolzheim 1825 nach einem Riss von Arnold. 1937 baute Wilhelm Bader aus Hardheim im Odenwald ein neues Werk nach Plänen von P. Suitbert Krämer OSB (Abtei Neuburg bei Heidelberg). Es stand auf Stützen, um den zentralen Emporenzugang freizuhalten; optisch wie klanglich war das auf der hoch liegenden Empore äußerst ungünstig. Seit der Kirchenrenovierung 1990/91 machte man sich Gedanken, wie das schadhaft gewordene Instrument durch ein neues, endlich den vorhandenen Bedingungen entsprechendes zu ersetzen sei.

Eine Orgel ist eine beachtliche Investition und soll die Gemeinde über viele Generationen begleiten; stets knappe Ressourcen müssen überlegt eingesetzt werden. Ähnliches gilt für die Konzeption der neuen Zähringer Orgelanlage, wo der zentrale Zugang vom Turm her und die geringe Höhe auf der Empore eine besonders eigenständige Lösung erforderlich machten. Deshalb kam eine klassische Anlage mit Spielkonsole im Orgelsockel ebenso wenig in Frage, wie ein unter die Decke gedrungenes Gehäuse mit gekröpftem Pfeifenwerk, das „wie ein auf den Kleiderschrank gestopfter Koffer“ wirken würde (O-Ton Winterhalter). Mit Blick auf eine optimale Klangentfaltung bei gleichzeitiger Balance von Orgelwerk und Altären im Kirchenraum, fiel die Wahl einer „hinterspieligen“ Brüstungsorgel nicht schwer.

Naturgemäß verlangen Sonderlösungen weit mehr als die bloße Umsetzung konventioneller Konzepte;

hier spielt vor allem langjährige Erfahrung eine entscheidende Rolle.
Alle 13 Manualregister sowie die Trakturen samt Koppelanlage konnten hier in einem recht zierlichen Gehäuse untergebracht werden, das die Emporenbrüstung nur konturenhaft nach vorne überschreitet. Die C-/Cis-geteilten Pedalregister stehen in klangdurchlässigen, paramentenschrankgroßen Einhausungen an der Rückwand seitlich des Emporenzugangs. Unter dem neuen Chorpodest befinden sich die Windmaschine und der zentrale Schwimmerbalg. Die am rückwärtigen Brüstungsgehäuse angebaute, klar durchgestaltete Spielanlage wirkt einladend und bietet durch ihre glatten Oberflächen mit ergonomisch eingedrehten Registertafeln eine angenehme Haptik. Hinzu kommen griffiges Spielgefühl, leichtes Registrieren und sichere Klangkontrolle – auch des Pedals. Zur Liturgiebegleitung kann der Organist unterhalb der Noten via Flatscreen das Altargeschehen beobachten.

Vom Kirchenschiff aus präsentiert sich der in kieselgrauweiß bemalte Orgelkorpus aus Eichen-/Fichtenholz schlicht und elegant. Die Kombination der fein linierten, matt gefassten Oberfläche mit den Glaselementen in Gold, Gelb und Weiß erzeugt einen feinen und edlen Effekt. Es galt, den Kirchenraum aufzuwerten, stereotype Rechteckformen aufzulockern und ein ansprechendes Rückraumprofil zu schaffen, ohne den Altarbereich zu dominieren.

Der Orgelprospekt zeigt eine vierteilige Symmetrie mit weich gerundeten Außenkanten und flacher Topografie, gespiegelt durch eine vertikale Trennung.

Architektonische Kniffe sind willkommen, wenn sie in sich schlüssig sind. Indem die Außenlisenen zurückgesetzt wurden, konnte die Gehäusetiefe verringert und die Schrägperspektive entlastet werden. Die helle Farbe reduziert ebenfalls die bauliche Masse. Dynamik gewinnt die Quaderform aus den zur Mitte hin mit elegantem Schwung abfallenden Pfeifenmündungen. Den Kontrapunkt hierzu zeichnet der aufsteigende Labienverlauf. Die Mittelachse betont die Vertikale und besteht aus einem im Orgelbau bislang wenig genutzten Werkstoff: satiniertem Floatglas. Dieser mit eingeschmol-zenem Gold und Spezialfarbe hinterlegte Werkstoff wurde auch für die Schleierbretter verwendet, jene Elemente die das Gehäuse nach oben abschließen und dem Ganzen einen dezenten Glanz verleihen. Entstanden ist ein zeitloses Orgelbild der klassischen Moderne, das den Kirchenraum vervollständigt, als wäre es schon immer da gewesen.
Um die Spieltraktur bei Temperatur- und Feuchtigkeitswechsel maximal stabil zu halten, setzte man – wie schon seit längerem – auch hier auf Abstrakten aus Karbonfasern. Bei einer hinterspieligen, quasi ebenerdigen Anlage, müssen die Trakturkomponenten auch physikalisch „umgekehrt“ gedacht und konstruiert werden: Anders als hängende Ventile dichten sich liegende fast ohne Federdruck. Dagegen gilt es, die „träge Masse“ in den langen Umlenk-Wellaturen auszugleichen. Hunderte von Funktionsteilen plus zwei „Rücken an Rücken“ stehende Wellenbretter waren auf engstem Raum unterzubringen – alles mit sehr kurzen Wegen. Eine komplexe Aufgabe, die souverän gelöst wurde. Ähnliches Geschick verlangte die mechanische Registersteuerung mit stehenden Wellen und Schleifenangriffen von oben, wobei das Klangwerk optimal abstrahlen und gut erreichbar sein sollte. Der Pfeifenverlauf folgt deshalb in den tiefen Lagen nach innen abfallend der Prospektteilung und wurde im Mittelbereich des Gehäuses pyramidenförmig gekontert. Dazwischen liegen zwei bequem zugängliche Stimmböden, von denen aus die Pflege und Stimmung einfach zu leisten sein werden.

Um eine kleinere bis mittelgroße zweimanualige Orgel möglichst vielschichtig zu „besetzen“, kam nur ein bereits mehrfach erprobtes Dispositionskonzept mit Wechselschleifen in Frage.

Im Kern handelt es sich um eine sparsame, jedoch großrahmige Klangidee, die geschickt auf zwei Manuale verteilt wird.

Eine Gruppe von Basisstimmen mit Werkzuordnung wird von spezifisch angelegten Struktur-, Farb- und Grundstimmen ergänzt, die bei diesem System von beiden Manualklaviaturen aus angespielt werden können. Die vier Bassstimmen sind „ ganz normal“ ausgebaut.
Das Hauptwerk grundiert auch in Zähringen auf einem klassischen Prinzipalchor; hinzu kommen eine obertonreiche Flöte 8’ und eine geschmeidige, ensemblefähige Trompete 8’. Aus der Mixtur kann per Vorabzug die Quinte einzeln verwendet werden. Die prinzipalische 2’-Lage ist den Wechselregistern zu entnehmen.
Mit Gedeckt 8’ und Flageolet 2’ ist das miniaturenhaft anmutende „Positiv“ bereits ein Echo- und Continuowerk. Das im Bass Fagott-artig gestaltete, im Diskant jedoch fein leuchtende Cor anglais 8’ wertet es zum Pendant des Hauptwerks auf. Die Idee dazu kam vom Orgelsachverständigen. Es sollte eine Zungen-Klangfarbe sein, die zwischen dem barocken Krummhorn und der romantischen Oboe angesiedelt ist – exotisch, doch vielfach verwendbar. Die Lösung fand sich bei den differenzierten Formen angelsächsischer Zungenstimmen, wo kelchartige Aufsätze auf schlanken konischen Bechern den Klang einer milden Oboe in reizvoller Altlage nachzeichnen…
Die Streicherstimmen 8’ und 4’ sowie eine durch aparte Vorläufertöne gut zeichnende 4’-Flöte können beiden Manualen hinzugefügt werden und bieten so ein erhebliches Erweiterungspotential. Besonders erwähnens-wert ist der Sesquialter, der zusätzlich zur Wechselwirkung als solistische 2 2/3‘-Quinte im ersten Manual registrierbar ist.
Bei der Pedaldisposition findet sich neben den drei klassischen Labialregistern in 16’-, 8’- und 4’-Lage – für diese Orgelgröße ungewöhnlich – eine 16‘ Posaune. Sie er-möglicht eine willkommene Alternative zum Subbass 16‘. Grundsätzlich solofähig, bietet sie zudem ein solides Fundament für das Plenum, dessen Sound dank der Subkoppel II / I erstaunlich groß werden kann. Obwohl der Registerbestand recht überschaubar ist, lassen sich neben unzähligen Farb- und Solomischungen auch ungewöhnliche gleitdynamische Effekte in mehreren Oktavlagen erzeugen. Damit eröffnen sich für die neue Zähringer Orgel überraschende Perspektiven zur Darstellung romantischer Orgelliteratur – und dies ohne Schwellwerk!

Die heikelste Phase jedes Orgelbaus ist die Fertigintonation im Kirchenraum.

Mit einer Vielzahl subtilster Eingriffe aus geschickter und begabter Hand wird aus Pfeifenrohren der Charakter eines individuellen Musikinstrumentes geschaffen. Der Zähringer Kirchenraum ist in seiner Quaderform akustisch großzügig und zugleich auf eine Weise indifferent, indem er einzelne Frequenzen stellenweise überproportional reflektiert. Um unangenehme Schall-Brennpunkte zu vermeiden, wurden schwach absorbierende Faserplatten hinter den Prospekt montiert.
Wie immer wurde bei der Planung des Manualgehäuses auf ein großes Innenvolumen über dem Pfeifenwerk geachtet, um einen angemessenen Klang-Misch-Raum zu schaffen. Dadurch war es leicht möglich, die Schallaustrittsfläche den akustischen Anforderungen entsprechend zu gestalten bzw. wirkungsvoll zu reduzieren. Das Resultat ist überzeugend: Klangkraft und Fülle gehören ebenso dazu wie milde Frische oder nuancierte Farbigkeit. Alles wirkt unaufdringlich und elegant und zugleich wohltuend strukturiert. – Überraschenderweise werden die Register des II. Manuals und die wechselbaren Stimmen vom Kirchenraum aus so wahrgenommen, als stünden sie weiter entfernt. Es entsteht eine Art Dreidimensionalität des Klangs, als hätte die Orgel ein weiter hinten aufgestelltes Manualwerk.

Die Zähringer Orgel hat nun ihren Platz aus guten Gründen in der Brüstung der Empore. Mehr Nähe zum liturgischen Geschehen, eine entspannte Klangausbreitung, großzügige Prospektgestaltung… Am schönsten ist jedoch die neu gewonnene Nähe zu den Menschen.

Markus Zimmermann