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C. W. Orgelbau
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Auch nicht schlecht...



Am südlichsten Rand des Schwarzwaldes, oberhalb des Hochrheines, zwischen Lörrach und Waldshut, liegt Birndorf. Es ist eines der bekannten „Berg-dörfer" dieser Hotzenwald­Region und besitzt mit seiner romanischen Basilika eine der ältesten Kirchenbauten der Diözese Freiburg. Schon im 9. Jahrhundert ist die Existenz einer Holzkirche belegt. Ende des 12. Jahrhunderts, als man die Gegend noch Vorderösterreich nannte, wurde mit dem Bau der heutigen Pfarrkirche HI. Kreuz begonnen. Das kunsthistorisch bedeutende Gebäude entstand unter dem Einfluss des benachbarten Klosters
St. Blasien und steht mit seiner Architektur in der Tradition der „Hirsauer Schule". Als die gewachsene Pfarrgemeinde zum Ende des 18. Jahrhunderts eine größere Kirche benötigte, konnte der Abriss durch geschickte Erweiterungen des Chorraumes und
der Seitenschiffe verhindert werden. Bei dieser Gelegenheit wurden bauliche Barockisierungen vorgenommen, die das heutige Bild der Kirche mitbestimmen.

Wie bei den meisten Kirchen klassischen Zuschnitts hat die Orgel auch in Birndorf ihren Platz im Rück-raum des Mittelschiffes. Klare Linienführung. Ruhe und Ausgewogenheit unterstreichen die Formen-sprache des romanischen Kirchenbaus. Die räum-liche Ausdehnung des Orgelkorpus wird von den proportionalen Verhältnissen des Mittelschiffes,
der Position der Empore und des „Westfensters" unmittelbar beeinflusst. Der Hochaltar als litur-gischer Mittelpunkt und gestalterischer Gegenpart in der Längsachse zum Instrument ist ebenfalls zu berücksichtigen. Diese Aufgabe wird in der Birn-dorfer Kirche von einem prunkvollen Tabernakel-Schrein übernommen, dessen konzentriertes Gewicht ein entsprechendes Orgel-Gesicht indiziert. Hinzu kommen bauseitige Eigenheiten, wie die Zugänglichkeit der südlichen Seitenempore, die
nur über die Hauptempore zu erreichen ist.

Aus diesen „äußeren Umständen" und der klang-lichen Größe ( Disposition ) mit ihren technischen Notwendigkeiten entstand der Basisentwurf zur neuen Orgel. Das im Sockel schlanke, in eleganter Bewegung nach oben sich öffnende Prospektge-häuse birgt das Hauptwerk mit Spielkonsole. Dahinter, im Abstand eines angemessenen Durch-ganges, steht ein schwellbares Nebenwerk, flankiert vom Pedalwerk in C-Cs-Teilung. Alle Gehäuseelemente sind aus massivem, teilweise mehrschichtigem Eichenholz gefertigt.

Das freistehende Vordergehäuse mit vierteiligem Pfeifenprospekt und seiner charakteristischen Mittelstele bildet vor dem Rückraum füllenden Hintergehäuse das gestalterische Zentrum der neuen Orgel. Die künstlerischen Besägungen des Bildhauers Armin Göhringer entfalten einmal mehr ihre archaisch anmutende Faszination und schaffen eine erstaunIiche Nahe zum historischen Kirchen-raum. Vertikal gebogene, feine bis kraftvolle Auf-brüche und Sägeschnitte erweitern die klassischen Strukturen der Orgelgestaltung zu einer neuen Form und bilden ein unverwechselbares Ensemble ihrer äußeren Bestandteile.

Die Gehäusefassung von Restaurator Bernd Bauer wurde aus der Farb- und Lichtstimmung des Kirchenraumes abgeleitet. Mehrschichtig über-lagerte, grau-weiß-orange Töne führen zur gewünschten Leichtigkeit des Baukörpers und vermitteln durch die überkreuzte, monochrome Buntheit der Oberflächentextur eine künstlerisch anspruchsvolle, positive Ausstrahlung. Die in Birn-dorf realisierte Zusammenführung von Elementen des Raumes mit der bewegten Formensprache der Orgel bilden einen zeitgemäßen, wirkungsvollen Gesamteffekt.

Klangkonzeptionen im mitteleuropäischen Orgelbau sind seit der Orgelbewegung der 1920er Jahre als eine retrospektive Aufarbeitung vergangener Epochen und deren musikalischem Empfinden zu betrachten. Bis heute ist die Entwicklung genuiner Klangideale im Orgelbau vor allem ein Ergebnis sich stetig wandelnder musikalischer Anforderungen, modischer Strömungen und den Wunschzetteln
von Organisten.

So gesehen ist die neue Birndorfer Orgel keiner Schule verpflichtet und nicht auf einen bestimmen Stil festlegbar. Sie nutzt die Vielfalt vorhandener Möglichkeiten zu einer aktuellen Neuordnung. Die Disposition enthält neben den unverzichtbaren Grund- und Hauptstimmen ebenso Bestandteile mittel- und süddeutscher Klangbilder des 18. und 19. Jahrhunderts ( Birn-/Holzflöte, Spitzflöte, Salicional ), wie auch typische Stimmen elsässisch-französischer Provenienz ( Cornet, Trompette, Trompette harmonique, Basson-Hautbois ).

Mit nur 1 bis 1,5 sec. frequenzabhängiger Nachhall-zeit im leeren Raum ist die Akustik denkbar kurz und bei voll besetzter Kirche entsprechend trocken. Die Klangausbreitung aus der Höhe des schmalen Mittelschiffes in das Gesamtvolumen des mehr-teiligen Kirchenraums benötigt aufgrund der akustisch­architektonischen Verhältnisse eine angemessene Ausgangsenergie. Durch schlankere Mensuren und tendenziell breitere Labien wurde das Pfeifenwerk auf diese Herausforderungen vor-bereitet. Tonqualität, Tonintensität und werküber-greifende Registerpositionierung waren sehr auf-wändig zu bestimmen und besonders differenziert zu intonieren. In enger Zusammenarbeit von Klang-gestalter und Orgelsachverständigem konnte ein farbenreiches, vielschichtig ausgewogenes und ungewöhnlich charaktervolles Klangprofil erzielt werden.

Hochwertige Instrumente werden im aktuellen Orgelbau nach wie vor mit Schleifladen und rein mechanischen Trakturen ausgestattet. Das hat nichts mit übertriebener Traditionspflege zu tun.
Es geht um den grundsätzlichen Anspruch auf musikalische und funktionale Qualität in Verbindung mit Klarheit in der technischen Innenstruktur und der daraus resultierenden Lebenserwartung einer Orgelanlage.
Wie immer haben wir in der technischen Planung auf eine möglichst gleichrangige Realisation der Baugruppen geachtet und uns nach folgenden Prioritäten gerichtet: Direkt geführte Spieltrakturen - geradlinige Registermechanik - kurze Windkanäle. Die zweiarmige Spielanlage besitzt Trakturbegleiter mit flexiblen Winkelbalken und vorspannender Regulierung. Volleisenwellen mit geschlossenen Lagertraversen und direktem Schleifenangriff garantieren leichtes Register-Handling. Durch „freie" Windversorgung mit einem zentral positio-nierten Schwimmerbalg eröffnen sich dem Orgel-musiker zusätzliche Möglichkeiten sensibler, lebendiger Interpretation.

Ein Orgelbauprojekt wie Birndorf ist nicht ohne vielfache Unterstützung von Menschen möglich,
die sich diesem wunderbaren Musikinstrument ver-bunden fühlen. Ich möchte mich an dieser Stelle, auch im Namen meiner Mitarbeiter, für die allzeit freundliche Unterstützung und das Vertrauen der Pfarrgemeinde in unsere Arbeit bedanken. Mein besonderer Dank gilt dem Pastoralreferenden Dietmar Sendelbach, dessen unermüdliches Engagement für uns eine wertvolle Hilfe war.

Möge die neue Birndorfer Orgel zum Lob des Herrn ein hohes Alter erreichen.

(Claudius WINTERHALTER)


Disposition